„Wir wollen Guttenberg zurück“ – ein beängstigendes Phänomen

Über KT zu Guttenberg wurde nun schon viel zu viel gesagt, geschrieben, geschrien. Trotzdem, ich kann nicht anders als mich ebenfalls zur Sache zu äußern. Derzeit hat die Facebook-Gruppe „Wir wollen Guttenberg zurück“ über 582.000 Fans. Umfragen behaupten dass die Mehrheit der Deutschen immer noch davon überzeugt ist dass Karl Theodor zu Guttenberg nicht hätte zurücktreten dürfen. Warum ist das so?

Wer sich mal Auszüge aus der Doktorarbeit bei Guttenplag durchgelesen hat (aktueller Stand: Auf 300 Seiten, 76%, der Dissertation wurden abgeschriebene und nicht gekennzeichnete Abschnitte gefunden), dem war eigentlich schon einige Tage vor dem Rücktritt klar dass Guttenberg politisch erledigt sein muss und als Politiker keine große Zukunft mehr haben darf. Trotzdem scheint es in Deutschland immer noch eine unüberschaubare Zahl von Anhängern zu geben die den Ex-Minister und Ex-Doktor „den besten Verteidigungsminister den wir je hatten“ nennt. Bloß warum war er „der Beste“? Welche Nachweise gibt es dass er seine Arbeit so gut gemacht hat? Ich finde eigentlich eher nur Hinweise darauf dass er seine Arbeit gerade nicht gut gemacht hat. Hier die Argumente:

1. Bombardierung des Tankers bei Kunduz

Aus der Wikipedia und anderen Quellen:

[…]Karl-Theodor zu Guttenberg bezeichnete noch am 6. November 2009 in Kenntnis des ISAF-Berichts die Bombardierung der Tanklaster unter Hinweis auf eine „besondere Bedrohungslage in der Region Kunduz“ als „militärisch angemessen. (…) Selbst wenn das Ganze fehlerfrei vonstatten gegangen wäre, komme ich doch auch zu dem Ergebnis, dass der Luftschlag hätte stattfinden müssen. (…) Guttenberg lag zu dieser Zeit allerdings bereits der Bericht des Internationalen Roten Kreuzes vor, der den Angriff als nicht in Einklang mit dem internationalen Völkerrecht stehend beurteilte. Der Minister nahm zu diesem Widerspruch nicht Stellung. Quelle: Süddeutsche Zeitung

Am 3. Dezember 2009 gab Verteidigungsminister zu Guttenberg vor dem Bundestag die angekündigte Neubewertung ab. Er behielt sich das Ergebnis der damals bereits laufenden militärischen und gerichtlichen Verfahren und eines von der Opposition geforderten Untersuchungsausschusses nicht vor. Stattdessen erklärte er: „Obgleich Oberst Klein – ich rufe das auch den Offizieren zu, die heute hier sind – zweifellos nach bestem Wissen und Gewissen sowie zum Schutz seiner Soldaten gehandelt hat, war es aus heutiger, objektiver Sicht, im Lichte aller, auch mir damals vorenthaltener Dokumente militärisch nicht angemessen. Nachdem ich – ohne juristische Wertung, das ist mir wichtig – meine Beurteilung diesbezüglich rückblickend mit Bedauern korrigiere, korrigiere ich meine Beurteilung allerdings nicht betreffend mein Verständnis bezüglich Oberst Klein“. Quelle: Spiegel Online […]

Siehe dazu auch: Wikipedia-Artikel „Luftangriff bei Kunduz“

Zusammenfassend hat er also den Luftschlag erst „militärisch angemessen“ genannt, obwohl zu der Zeit schon bekannt war dass der Angriff völkerrechtswidrig war! [UPDATE: Dies entspricht wohl nicht ganz den Tatsachen, siehe Kommentar.] Später ändert er seine Meinung um 180 Grad und behauptet das Gegenteil. Dieses Verhalten zieht sich übrigens wie ein roter Faden durch seine Arbeit als Verteidigungsminister bis hin zu seinem Verhalten nach dem schrittweise Bekanntwerden des Ausmaßes der Fälschungen in der Doktorarbeit. Ein weiteres Beispiel:

2. Die Gorch Fock Affäre

Nach dem Tod einer Kadettin an Bord des Bundesmarine-Schulschiffes „Gorch Fock“ hatte Guttenberg zunächst eine Untersuchung abwarten wollen, nachdem aber ein Artikel in der Bild quasi gefordert hatte, dass der Kapitän entlassen werden muss, wurde dieser vom Verteidigungsminister quasi im vorausschauenden Gehorsam abbeordert. Weitere Quelle: Spiegel Online

3. Einseitig Positive Berichterstattung in der Bild-Zeitung

Diese Berichterstattung in der „Bild“ ist sicher Teil des Phänomens. Die TAZ schreibt dazu:

[…]Der zweite große Guttenberg-Fan ist, wenig überraschend, die Bild. Die Kürze ihrer Artikel erlaubt oft keine expliziten Bewertungen, wenn jedoch ein Urteil über den Minister gefällt wurde, dann weit überwiegend positiv. Ob das Boulevardblatt den Minister nun beim „streng geheimen“ Blitzbesuch in Afghanistan begleitet oder seine Frau Stephanie im Januar 2010 wohlwollend beobachtet, wie sie „für unsere Soldaten“ betet – auf die Berichterstattung der Springer-Zeitung konnte sich Guttenberg stets verlassen.

Einige Beispiele gefällig? Bitteschön:

Und so weiter, und so weiter. Passend dazu werden Leserbriefe wie dieser veröffentlicht:

„Ein Titel macht noch lange keinen guten Politiker. Was wirklich zählt, sind Ehrlichkeit und Charakterstärke. Deshalb, Herr zu Guttenberg: Beweisen Sie in dieser – für Sie peinlichen – Situation Rückgrat und bleiben Sie im Amt!“ Dr. Alexandra Thaler (39), Zahnärztin aus Nürnberg (Bayern)

Unglaublich wenn man mal darüber nachdenkt! Ehrlichkeit und Charakterstärke sind die Dinge, die wirklich zählen? Das sind doch genau die Eigenschaften, die der Ex-Minister hat vermissen lassen!

4. Die Plagiats-Affäre

Wir erinnern uns: Die Affäre begann damit, dass Andreas Fischer-Lescano, Rechtswissenschaftler an der Universität Bremen, bei der Durchsicht der Dissertation für eine Rezension längere Passagen in der Arbeit entdeckte, die ohne als Zitat kenntlich gemacht zu werden aus anderen Arbeiten stammten. Die Süddeutsche Zeitung brachte einen Artikel darüber.

Dies ist die Reaktion von Karl Theodor zu Guttenberg auf die in der SZ zuerst veröffentlichten Vorwürfe:

„Der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus.“

Als langsam das Ausmaß der Fälschungen bekannt wird entscheidet er sich den Doktortitel abzugeben und schreibt an die Uni Bayreuth:

[…]Dabei kam ich zu dem Ergebnis, dass mir bei der Erarbeitung gravierende handwerkliche Fehler unterlaufen sind, die ordnungsgemäßem wissenschaftlichen Arbeiten widersprechen“

Als im Laufe der Zeit deutlich wird, dass fast die gesamte Arbeit zusammekopiert wurde, wird die Luft dünner. Schließlich sagt der Minister:

„Ich habe die Bundeskanzlerin in einem freundschaftlichen Gespräch informiert, dass ich mich von meinen politischen Ämtern zurückziehen werde – und um meine Entlassung gebeten.

Es ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens.

Ich gehe ihn nicht allein wegen meiner so fehlerhaften Doktorarbeit – wiewohl ich verstehe, dass dies für große Teile der Wissenschaft ein Anlass wäre.

Der Grund liegt im Besonderen in der Frage, ob ich den höchsten Ansprüchen, die ich selbst an meine Verantwortung anlege, noch nachkommen kann.

Ich trage bis zur Stunde Verantwortung in einem fordernden Amt.

[…]

Angesichts massiver Vorwürfe bezüglich meiner Glaubwürdigkeit ist es mir auch ein aufrichtiges Anliegen, mich an der Klärung der Fragen hinsichtlich meiner Dissertation zu beteiligen. Zum einen gegenüber der Universität Bayreuth, wo ich mit der Bitte um Rücknahme des Doktortitels bereits Konsequenzen gezogen habe.

[…]

Die enorme Wucht der medialen Betrachten meiner Person – zu der ich selbst viel beigetragen habe – aber auch die Qualität der Auseinandersetzung bleiben nicht ohne Wirkung auf mich selbst und meine Familie.

[…]

Nun wird es vielleicht heißen, der Guttenberg ist den Kräften der Politik nicht gewachsen. Das mag sein oder nicht sein. Wenn ich es aber nur wäre, indem ich meinen Charakter veränderte, dann müsste ich gerade deswegen handeln.

[…]

Es ist mir aber nicht mehr möglich, den in mich gesetzten Erwartungen mit dem mir notwendigen Maß an Unabhängigkeit in der Verantwortung gerecht zu werden.

[…]

Abschließend ein Satz, der für einen Politiker ungewöhnlich klingen mag:

Ich war immer bereit zu kämpfen, aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht.

Quelle: natürlich gab es den kompletten Abdruck in der Bild.

Was sind die Gründe für die Fankultur?

Wieso also gibt es bis heute diese geradezu fanatische Fankultur um Guttenberg? Sie möchten ihn zurück, als Minister, als Kanzler, als Heilsbringer. Liest man die Kommentare in der Facebook-Gruppe „Wir wollen Guttenberg zurück“, dann kann man nur noch still den Kopf schütteln. So weit würde Guttenberg, wie man aus seiner Rücktrittserklärung herauslesen kann, sicher selber nicht mehr gehen. Mir macht diese Begeisterung Angst. Ich stelle mir vor dass es in den dreißiger Jahren ähnlich war, diese Begeisterung für jemanden der halt anders war als „die da oben“, jemand der versprach etwas zu ändern, jemand mit Charisma. Ich möchte Guttenberg nicht mit Hitler vergleichen. Aber diese Stimmung bei bestimmten Menschen die glauben ihren Heilsbringer gefunden zu haben und die ohne eine sachliche Grundlage bereit sind, diesem Menschen zu folgen erinnert mich eben an die Stimmung, die damals in Deutschland herrschte. Ich habe bisher geglaubt durch unsere Erfahrungen kann sich der Fanatismus des Dritten Reiches in Deutschland nicht wiederholen. Jetzt bin ich mir aber nicht mehr sicher. Früher waren es die Folger, heute sind es die „Follower“.

One comment on “„Wir wollen Guttenberg zurück“ – ein beängstigendes Phänomen

  1. -

    echt jetzt? Ich dachte, das macht man so als Politiker… nun ja. Und ja, das war eterxm kurzfristig gedacht von mir. Verf6ffentlichungskosten sparen und schon die Politikkarriere gefe4hrdet…@rage: ich finde, das hat so was von Sommerloch. Wie das Seehoferbaby, das ihm ja politisch auch nicht geschadet hat…

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